
Künstliche Intelligenz hilft Menschen mit Behinderung
Rund acht Millionen Menschen in Deutschland sind schwerbehindert, das ist in etwa jeder Zehnte. Weltweit leben eine Milliarde Menschen mit Behinderung. Das Thema betrifft also weite Teile der Gesellschaft, nicht nur eine kleine Randgruppe. Heutzutage gibt es zahlreiche inspirierende Beispiele, wie Technologie Menschen mit Behinderung helfen kann. Künstliche Intelligenz, Big Data und Roboter können Menschen Lebensqualität zurückgeben und eine Brücke zurück in die Gesellschaft bauen.
Kommunikation nur mit den Augenmuskeln
Technologie hilft Menschen mit Behinderung. Ein gutes Beispiel dafür ist die fortschreitende Krankheit Amyotrophe Lateralsklerose, kurz ALS, die mit Muskelschwund und Lähmung einhergeht. Der US-Amerikaner Eric Valor war einst leidenschaftlicher Surfer, heute sitzt er im Rollstuhl. Er kann nur noch seine Augenmuskeln steuern, so kommuniziert er mit der Außenwelt. Ein Computer mit einer Infrarotkamera zeichnet seine Augenbewegung auf.
Eric wählt auf einer virtuellen Tastatur Buchstaben aus. Wenn seine Augen mindestens 0,3 Sekunden auf einer Taste verweilen, zählt es als Klick. „Die Essenz meines Daseins ist mein Geist, nicht mein Körper“, sagt Eric im Gespräch mit dem Podcast Replyall. „Ich nenne mich selbst den weltweit ersten voll funktionstüchtigen Cyborg“, scherzt der US-Amerikaner weiter.
Auch Stephen Hawking sagte einst: „Mein Körper ist ein Gefängnis, doch mein Geist ist frei.“ Der berühmte Physiker war ebenfalls an ALS erkrankt und nutzte eine ähnliche Technologie, um mit der Außenwelt zu kommunizieren. Mit seiner Sprachausgabekommunikationshilfe schrieb er ganze Bücher.
Auch Assistenz-Roboter stellen eine große Hilfe für Menschen mit Behinderung dar. Sie können Pflegeaufgaben übernehmen oder Menschen an die Einnahme ihrer Medikamente erinnern.
Der persönliche Assistenz-Roboter Lio beispielsweise bringt Menschen zur richtigen Zeit ihre Tabletten.
Er identifiziert erhöhte Körpertemperatur, desinfiziert Türgriffe, erkennt Gesichter und kann Objekte anreichen – etwa eine Wasserflasche, Snacks oder Kleidung. Auch wenn die Fernbedienung herunterfällt, kommt Lio und hebt sie auf. Dabei hat er immer ein nettes Wort parat. Sogar Witze erzählt der Assistenz-Roboter auf Wunsch und gibt so dem Alltag eine gewisse Leichtigkeit.

Seeing AI: Blinde lernen wieder sehen
Ein Programm, das Personen erkennt, ihre Emotionen und Farben benennt, die Umgebung in Worte fasst, Geldscheine und Währungen identifiziert und sogar ganze Szenen beschreibt. All das klingt wie Zukunftsmusik. Tatsächlich handelt es sich dabei um eine kostenlose App für Apple-Geräte, namens Seeing AI von Microsoft. Sie hilft Menschen mit Sehbehinderung im Alltag, etwa beim Einkaufen, denn sie scannt auch Barcodes und benennt die Produkte. Sie erkennt Freunde und kann deren Gesichtsausdrücke beschreiben.
Wer ein Foto seiner Umgebung macht, erhält eine Beschreibung davon, die in etwa so klingt: „Ein Bus, der am Straßenrand parkt“, oder „Ein Mann, der auf einem Sofa sitzt und einen Computer verwendet.“ „Ein Mann mit Brille, der glücklich zu sein scheint.“ Ein toller Einblick in die Umgebung. Diese Technologie gibt Blinden im Handumdrehen Informationen an die Hand, mit denen sie ihren Alltag meistern können.
Auch die Helligkeit der Umgebung erkennt die App und gibt einen Ton wider, der mit dem Licht korrespondiert. Selbst handschriftliche Dokumente kann das Programm bereits einlesen. Der Name Seeing AI bezieht sich auf artificial intelligence, zu deutsch künstliche Intelligenz.
Für Gehörlose gibt es ebenfalls gute Lösungen mit künstlicher Intelligenz. Die App Ava zum Beispiel schreibt bei einem Gespräch mit, sodass Gehörlose das Gesagte mitlesen können. Das Programm kann sogar unterschiedliche Sprechende unterscheiden.
Selbst Telefonieren ist für Gehörlose dank der App Pedius möglich. Beim Kinobesuch können Menschen mit Hörbehinderung mit der Applikation Greta Untertitel anzeigen lassen. Wer noch einen Schritt weitergehen möchte, kann mit der Smartphone-App Live Transcribe & Sound Notifications Alltagsgeräusche erkennen – etwa die Türklingel, Kindergeschrei oder einen bellenden Hund. Die Technologie kann den fehlenden Sinn zwar (noch) nicht komplett ersetzen, doch sie bildet eine Brücke für mehr Teilhabe an der Gesellschaft.
Big Data in der Medizin: So hilft Technologie Menschen mit Behinderung
In der Medizin sind immer mehr Daten verfügbar, das liegt einerseits an der Digitalisierung vieler Lebensbereiche. Andererseits auch am technologischen Fortschritt – zum Beispiel Wearables, etwa Uhren, die Biodaten aufzeichnen.
Durch das gezielte Sammeln und Analysieren von Daten lassen sich wichtige Erkenntnisse für medizinische Probleme gewinnen. Ein Beispiel ist eine Untersuchung von Google: Die Daten der Suchmaschine ergaben eine Korrelation zwischen bestimmten Suchbegriffen und der Ausbreitung der Grippe. Besonders im Jahr 2009 während der Vogelgrippe-Krise war dies sehr hilfreich, um ohne Zeitverzögerung gegen die Seuche anzukämpfen.
Big Data hilft Menschen mit Behinderung aktuell dabei, Gesundheitsgefahren schneller zu erkennen und Krankheiten zu überwachen. Allerdings sind medizinische Daten sensibel und müssen daher besonders verantwortungsvoll verwahrt werden.
Der technische Wandel kann in vielen Bereichen eine Chance für Menschen mit Behinderung sein. Auch aufgrund der Überalterung der Gesellschaft fließt aktuell mehr Forschung und Energie in assistive Technologien, die viele körperliche Einschränkungen kompensieren. Zahlreiche Technologien haben außerdem den Massenmarkt erreicht.
Wer heutzutage ein Smartphone mit Sprachsteuerung verwendet, wird nicht schief angesehen – für Menschen mit Behinderung fällt dadurch eine Stigmatisierung weg. Selbst der Homeoffice-Trend spielt vielen Menschen mit Behinderung in die Karten, denn eine eingeschränkte Mobilität fällt so deutlich weniger ins Gewicht. Technologie hilft Menschen mit Behinderung – es bleibt spannend, welche Neuerungen die Zukunft bringt.
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